Stell dir vor, du bist ein fünfzehnjähriges Mädchen, das in einem Dorf im Unterland wohnt. Deine Mutter ist Pflegerin in einem Altersheim und dein Vater arbeitet in einer Fabrik im Inntal. Es sind Sommerferien, doch du langweilst dich zu Hause, während du auf deinen kleinen Bruder aufpassen musst. Deinen Spaß findest du beim Sammeln von Steinen mit schönen Mustern am Flussufer und beim Wetterraten anhand der Wolken. Am liebsten möchtest du in die Berge wandern, vor allem, seit du Bilder deines Cousins auf dem Gletscher gesehen hast. Die Berge sind zwar nah, aber deine Eltern haben weder Zeit noch Geld, um dir die nötige Ausrüstung zu besorgen.

Deine Freundinnen filmen sich lieber bei lächerlichen TikTok-Tänzen und scheinen nicht daran interessiert, etwas mit dir zu unternehmen. Wenn du zum Minimarkt gehst und Gespräche hörst, als sich Männer nach ihrem Bergausflug Bier kaufen, hättest du auch keine Lust, dich einer solchen Gruppe anzuschließen. Deine Oma fragt dich immer öfter, ob du eine Ausbildung zur Friseurin oder zur Verkäuferin anfangen wirst. Du kannst dir aber nicht vorstellen, dein ganzes Leben so zu verbringen. Zur Uni zu gehen wäre zwar dein Traum, aber für deine Eltern ist das unvorstellbar, denn da gehen ja nur die Söhne wohlhabender Familien hin! Mach lieber etwas, das für dich da ist, damit du dir schon eine Rücklage aufbauen kannst, für deine Kinder dann!

Somit bleibt Innsbruck die Stadt, in die du nur ab und zu für einen Arzttermin fährst (und an manchen Freitagen zu einer Klimademo). Abends bleibt dir nur noch übrig, resigniert im Fernsehen zu schauen, wie sich alte weiße Männer in Europa in einer Debatte darüber streiten, ob vegane Schnitzel und Hafermilch noch so genannt werden dürfen, während in Norwegen Brände wüten und im Nahen Osten Krieg herrscht. Du möchtest etwas tun, zumindest ausprobieren, wie es sich anfühlt, dich selbst am Berg von Gleichgesinnten umgeben zu sein und dich über spannende Themen auszutauschen, wie du die Welt verstehen und verbessern kannst!

Genau das bietet der Verein Girls* on Ice Austria!

Naturwissenschaften und Bergsteigen sind zwei Bereiche, die in der professionellen Welt immer noch von Männern dominiert werden und zu wenig inklusiv für Frauen und marginalisierte Gruppen (FLINTA*s) bleiben. Solange dieses patriarchale Verhältnis herrschen wird, wird die Natur weiter ausgebeutet und die Menschen Bergsportarten unter ungesundem, wettkampforientiertem Leistungsdruck gesetzt. Um dem entgegenzuwirken, setzt der Verein “Girls* on Ice Austria” sich dafür ein, das Selbstvertrauen von jungen FLINTA*s zu stärken, die im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sich in einer Lebensphase befinden, wo für ihre (berufliche) Zukunft wichtige Entscheidungen getroffen und prägende Erfahrungen gesammelt werden.

Unser Team besteht aus Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und einer Bergführer*in, die einmal im Jahr eine einwöchige Exkursion für neun junge Frauen* (ideale Gruppengröße für eine fördernde und inklusive Dynamik) zu einem Gletscher in den Tiroler Alpen leiten und dabei entscheidende, alternative Role-Models für die Teilnehmer*innen darstellen.

Dank der ehrenamtlichen Arbeit der Vereinsmitglieder*innen für Fundraising, bleibt die Exkursion für die Teilnehmer*innen kostenlos (Ausrüstung und Bekleidung werden vom Verein leihweise gestellt) und vorherige Bergerfahrung oder gute Noten in der Schule sind nicht notwendig. Das soll jeder* gleiche Teilnahmechance ermöglichen, unabhängig von sozialen und ökonomischen Hintergründen, Hauptsache, zeigen sie große Motivation!

Über verschiedene Gruppenaktivitäten wird das Wissen über Gletscher, alpine Landschaftsformen, Wetter, Klima und Klimawandel vermittelt. Ein wichtiger Teil unserer Exkursion ist die selbständige Durchführung selbst-überlegter, wissenschaftlicher Experimente am Gletscher und in der alpinen Umgebung, beruhend auf pädagogischen Prinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ein weiteres Highlight ist die gemeinsam-geplante und geführte Gipfelwanderung, inklusive Abseilen in einer Gletscherspalte! Dabei werden nicht nur Outdoor-Skills erlernt, sondern auch die eigenen physischen und psychischen Grenzen überwunden! Künstlerische Aktivitäten bieten die Möglichkeit zur kreativen und emotionalen Entfaltung und zeigen, wie Wissenschaft und Kunst zusammenhängen. Außerdem zeigt es der jüngeren Generation Strategien für den Umgang mit den beeinträchtigenden Themen (u. A.) des Klimawandels und Schwunds der Gletscher auf, die sie von klein auf schwerwiegend begleiten.

Im Basecamp und am Abend werden die Erfahrungen am Gletscher und Ergebnisse der Experimente diskutiert sowie Lebenserfahrungen zwischen den Generationen und sozialen Herkünften ausgetauscht. Die eigenen Horizonten, wie ein Leben geführt werden kann, erweitern sich, während die Hektik der digitalen Social-Media-Welt genüsslich vergessen wird. Unter FLINTA*s wird einen sicheren Raum geschafft, in dem gemeinsam gekocht, gesungen, und persönliches mit Vertrauen geteilt werden kann. Diese solidarischen und respektvollen Momente, frei von sozialem Druck und Leistungserwartungen ermöglichen Selbstreflexion und Erfahrungen, wie es anders (besser) gehen kann. Die Gemeinschaft setzt sich mit diversen Themenschwerpunkten auseinander, z. B. die Gleichstellung der Frauen in Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft oder wie man als Einzelperson zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität beitragen kann. Auch die Perzeptionen von Natur, Wildnis, Solidarität, Wohlbefinden werden reflektiert. Zurück im Tal werden die Forschungsergebnisse und Camp-Erlebnisse aufbereitet und der Familie, Freunden und sonstigen Interessierten bei einer Abschlusspräsentation vorgestellt. Somit wirken die Erfahrungen tiefgreifender in der Gesellschaft.

Unser Programm Girls* on Ice gibt jungen FLINTA*s die Möglichkeit, die vergletscherten Berge Tirols zu erkunden, Einblicke in die Glaziologie zu erhalten und den eigenen Horizont zu erweitern. Die Neugierde und Interesse an den Naturwissenschaften ist geweckt worden, Kunst und Wissenschaften sind miteinander verbunden worden und in einem entspannten Umfeld ist das Vertrauen in physische und psychische Fähigkeiten gestärkt worden. Die Teilnehmer*innen und ihr Umfeld werden tiefgreifend gegen Diskriminierungen sensibilisiert.

Bisher haben wir einen Großteil des Materials (Zelte, Schlafsäcke, Kleidung, Sicherheitsausrüstung) von unserer Schwesterorganisation in der Schweiz ausgeliehen. Dennoch möchten wir für die folgenden Exkursionen in eigenes Material investieren, um die Exkursionen “Girls* on Ice Austria” langfristig und selbständig zu etablieren. Viel Ehrenamt fließt im Verein für Fundraising, mediale Präsenz, Erarbeitung der Methoden und Inhalten sowie organisatorische und logistische Vorbereitung der Expedition.
Es geht weiter! Für eine sichere und langfristige Sicherung des Programms, möchten wir eine koordinierende Stelle für ein paar Wochenstunden bezahlen können. Für Wertschätzung und Gerechtigkeit möchten wir die begleitenden Bergführerin und Künstlerin entlohnen. Mit der Etablierung des Vereins, erreichen wir immer mehr Jugendliche und möchten sie weiter in ihrem Potential begleiten, den gesellschaftlichen Wandel hin zu Klima- und sozialer Gerechtigkeit in ihrem Umfeld zu gestalten. Mit mehr finanziellen Mittel könnten wir Workshops in Schulklassen von Teilnehmer*innen organisieren, wo sie als Multiplikatorin im Tandem mit unseren Wissenschaftler*innen in interaktivem, peer-to-peer Setting die Botschaft zum Klimaschutz und Inklusion weitergeben.


Im Sommer 2026, wird die fünfte Exkursion stattfinden. Wir möchten unsere ehemaligen Teilnehmer*innen und Vereinsmitglieder*innen bei einem Alumni-Treff zum Netzwerken bringen, um das Erlebte zu stärken, Austausch zu fördern und gegenseitige Motivation zu wiederbeleben. Für die solidarische Organisation einer solchen Veranstaltung werden auch finanzielle Mittel gebraucht.

Ein Einblick können Sie hier bekommen
Mehr Information finden Sie unter: www.inspiringgirls.org/goi-austria

*Frauen-, Lesben-, Intergeschlechtliche-, Nicht-Binäre-, Trans- und Agender-Personen.