Feministisch gesellschaftspolitisch brisantes Theater
von Daniela O.
Das Theater praesent ist bis weit über die Landesgrenzen hinaus ein etabliertes Off-Theater, und ausnahmslos alle unsere Produktionen werden von Publikum und Kritiker*innen hoch gelobt. Seit Jahren bieten wir ein konstantes Alternativangebot in Tirol. Für das Jahr 2026 möchten wir diesen Weg konsequent fortsetzen. Geplant sind drei Eigenproduktionen, die von weiteren diskursiven Formaten begleitet werden.
1. Produktion: RADIKAL ALT (Stückentwicklung) In „Radikal alt“ werden wir drei Frauen im Alter von 40, 60 und 77 Jahren auf der Bühne erleben, die sich am Begriff Altern abarbeiten.
Wie altern Frauen in Österreich, speziell in Tirol, im Unterschied zu anderen Ländern, sowohl wirtschaftlich als auch sozial, körperlich, und damit einhergehend seelisch. Ganz faktisch auch, wie stark sind Frauen in Tirol von Altersarmut betroffen? Was bedeuten Innsbrucks hohe Wohnungsmieten, wenn man als Frau im letzten Drittel des Lebens steht?
Wie gut kann unser Gesundheitssystem Frauen in dieser Lebensphase begleiten?
Ausgehend von einer Floskel, die ältere und alte Menschen immer wieder verwenden „Zu meiner Zeit ….“ Stellen wir uns die Frage, wann und warum hören Menschen, speziell Frauen, irgendwann auf, die Zeit, in der sie leben, als die ihre zu betrachten.
Hört „meine Zeit“ zwingend auf, wenn ich aus der Erwerbstätigkeit aussteige? Welche Möglichkeiten werden von älteren Frauen genutzt, oder eben nicht genutzt, um Wertschätzung und Identität zu erfahren. Fängt Leben und Lebendigkeit da an? Oder hört sie auf?
Wie gehen Frauen mit dem Druck ewig jung und sexuell attraktiv sein zu müssen, damit sie eben weiter eine Rolle spielen dürfen, um? Kann es einen Ausweg, eine Alternative zum Konservierungswahn der Kosmetikindustrie geben? Was bedeutet der gesellschaftlich herrschende Jugendwahn, wenn du die 40, 60, 70 überschritten hast.
„In Würde altern“, hat dieser Begriff, nämlich die Würde, in einer Welt, in der es primär um Funktion, Produktion und weniger um Reflexion und Gelassenheit geht, überhaupt noch Bedeutung?
2. Produktion:
BIG GUNS von Nina Segal
„Da ist ein Mann, und der Mann hat eine Waffe,
und vielleicht war er immer schon hier.“
Nina Segals Text ist eine Versuchsanordnung über die Mechanismen, mit denen wir Gewalt in unser Leben lassen. Die makabre Lust an den Katastrophen und Gräueltaten, die wir über News Feeds, Social Media und in Full HD konsumieren. Zwei Performer*innen spinnen Bilder und Geschichten über die Angst, die uns umgibt und mit der wir uns umgeben. Der Text dreht einen Stein nach dem anderen um und legt die unsagbaren Schrecken frei, die sich darunter verbergen. Eine dunkle, komplexe Untersuchung unserer unersättlichen Clickbait-Kultur.
Den medialen Umgang mit Gewalt zu thematisiert, ist heute wichtiger denn je. In einer Zeit, in der Gewaltdarstellungen durch soziale Medien, Nachrichten und Unterhaltungsformate allgegenwärtig sind, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung. Zuschauer*innen werden oft zu passiven Konsument*innen von Leid, ohne Raum für Reflexion oder Empathie.
BIG GUNS macht klar, wo uns Sensibilität, Verantwortung und Bewusstsein im Umgang mit medialer Gewalt verloren gegangen ist.
Nina Segals Debüt Nachts (bevor die Sonne aufgeht) wurde 2016 am Gate Theatre in London uraufgeführt. Nina Segal war für den Yale Drama Prize 2016 und für die Andrian Pagan Award 2015 nominiert. Ihre Stücke wurden u.a. am Bush Theatres und am Donmar in London gezeigt. Ihr Stück Stadt, Land, Flut wurde von der Royal Shakespeare Company uraufgeführt.
SPIELORT Theater praesent, Tschamlerstraße 3, 6020 Innsbruck
PREMIERE 10. April 2026
TERMINE mindestens 9 weitere Termine im Februar, März 2026
VERANSTALTUNGEN IN ANLEHNUNG AN DIESE PRODUKTION:
Talk Night (Eine Podiumsdiskussion in Anlehnung an das Stück)
3. Produktion: ANTRAG AUF GRÖSSTMÖGLICHE ENTFERNUNG VON GEWALT
von Felicia Zeller
Jede dritte Frau* zwischen 18 und 74 Jahren in Österreich hat ab dem Alter von 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Fast jede sechste Frau* war im Erwachsenenalter von Androhungen körperlicher Gewalt betroffen. Körperliche und/oder sexuelle Gewalt, die von Partner*innen ausgeht, also so genannte häusliche Gewalt, erleben über 16% der Frauen* zwischen 18 und 74 Jahren. Das zeigt eine Erhebung zu Gewalt gegen Frauen*, die Statistik Austria zwischen 2020 und 2021 im Auftrag von Eurostat und dem Bundeskanzleramt durchgeführt hat. Das Thema Gewalt an Frauen*, das eigentlich als männliche Gewalt bezeichnet werden sollte, wird immer wieder verharmlost oder als Randphänomen abgetan. Dabei wird geleugnet, dass es ein zutiefst strukturell verankertes gesamtgesellschaftliches Problem darstellt.
In ihrem Stück „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ verwebt Felicia Zeller, basierend auf realen Interviews, höchst artifiziell die Biografien von Frauen*, die den Weg ins Frauen*haus gefunden haben, mit helfenden Stimmen von Frauen*haus-Mitarbeiter*innen oder Ärzt*innen, verletzenden Täter*innenstimmen sowie den unachtsamen Stimmen derjenigen, die am Problem vorbeischauen. Daraus ist eine kraftvolle Partitur entstanden, die Lebenssplitter miteinander verwebt und poetisch zwischen der Suche nach dem Lebensglück und realen Sachzwängen reibt. Verzweiflung schlägt dabei so schnell ins Absurd-Komische um wie in manchen Partner*innenschaften Familienfrieden in sinnlose Gewalt. Der Abend will nicht in der Betroffenheitsgeste verhaften und Frauen* in einer Opferdarstellung abbilden, sondern starken Stimmen Raum geben, die sich aufmachen ihr Leben neu zu gestalten.



